23 summerdays

Berliner Morgenpost, 28.3.2003

Geschabte Töne in der Staatsbank

Die abgewrackte Kassenhalle in der ehemaligen Staatsbank ist ein Panzerschrank abgewickelter Potenziale: Idealer Austragungsort für musikalisch-theatrale "Zeitklammern". John Cage, der Experimentator und Komponist stummer, auch äußerst langer Stücke (einige dauern Jahre!), lässt in "Twenty-three für Streicherensemble" 23 Musiker 23 Minuten lang Töne schaben. Im Labyrinth aus Steinwollequadern, um das herum Publikum sitzt, liegen Stoppuhren bereit, damit die Musiker des "Ensemble Resonanz" wissen, wann sie nach Hause können. Über ihnen, schräg aufgehängt, flimmern Bilder von Heuballen, Strandkörben und Sommer über einen Schirm. Die Installation der "Lose Combo", die auch gut auf die Documenta oder in den Hamburger Bahnhof passen würde, füttert das Stück mit sentimental angehauchten Cage-Anekdoten auf: über Pilzesammeln (Cages Leidenschaft), über seinen berühmten Vortrag über Nichts. Und über Schach. Solche Sachen liebte der Cage. In 90 Minuten entsteht eine Art akustische Dia-Show über die Avantgarde von gestern. Sympathisch-gestrig, vom Publikum gut besucht.

KLK