HERTZ' FREQUENZEN

Beschreibung

HERTZ’ FREQUENZEN ist der zweite Teil der Reihe CHANCES | CHANCEN, die sich mit Geistergeschichten der Medien auseinandersetzt. In dieser Reihe rücken jene vermeintlich abwegigen und zufallsbestimmten Aspekte einiger "Medien" oder "medialer Phänomene" in den Blick, die vergessen oder verschwiegen wurden, und zwar gerade im Namen des "technischen Fortschritts", dem sie seit je vorausgingen und den sie überhaupt ermöglichten.

1887 entdeckt Heinrich Hertz mit einem sogenannten Funkengeber, daß bei elektrischen Entladungen auch elektromagnetische Wellen produziert werden. Ohne sich im entferntesten über den technisch-praktischen Nutzen seiner Entdeckung im Klaren zu sein, gelingt ihm im folgenden mit Hilfe des Funkengebers und einem einfachen Kupferdrahtgestell der Nachweis, daß Elektrizität eine Kraft ist, die sich nicht nur über materielle Leiter, sondern ebenso im freien Raum ausbreitet – und zwar wie das Licht: wellenförmig, und mit Lichtgeschwindigkeit.

Die Medienperformance HERTZ' FREQUENZEN nimmt die bahnbrechende Entdeckung der elektromagnetischen Wellen durch Heinrich Hertz zum Anlaß, einigen ihrer Folgen – gerade jenseits des technischen Fortschritts – nachzuspüren. Eine akustisch-visuelle Installation, deren Spektrum von unhörbaren Erdresonanzen bis zu unsichtbaren Lichtwellen reicht, öffnet den Raum für paraphysikalische Spekulationen, flirrende Bilddokumente und – rechtzeitig zum 50-jährigen Bestehen der Komposition – ein Konzert von John Cages Radio Music, das als kurzer performativer Prolog realisiert wird.

Aus einem halbtransparenten Kubus aus Stahlwolle, der die Maße des Hertzschen Laboratoriums nachzeichnet, sind zeitgleich die freien Improvisationen eines Klarinettisten und Thereminspielers und eine mehrteilige aleatorische, zeitlich-metrisch jedoch exakt organisierte Kompositionen für Violine und Viola zu hören, während ein quadrophon organisiertes elektroakustisches Tonband aus radiophonen feedbacks, tiefem grollenden Rauschen, feinsten artifiziellen Knister-, Morse- und Tropfgeräuschen sowie überraschenden O-Ton-Sequenzen den installierten Raum von außen in Schwingung versetzt. Weit außerhalb des geschlossenen Stahlwolle-Kubus’ – aus dem einsehbaren Off – berichtet eine Performerin von randständigen Forschungsarbeiten und Ereignissen aus Hertz’ Leben, die in verblüffendem Zusammenhang mit seiner bahnbrechenden Entdeckung zu stehen scheinen: Berechnungen über den unabwendbaren Sturz des Schiefen Turms von Pisa zum Beispiel, oder Seancen, die der Physiker mit einem verschwundenen Studenten abgehalten hat. Indes rezitiert ein Performer Briefe von Heinrich Hertz, die er so spekulativ wie plausibel in einen Zusammenhang mit John Cages Radio Music zu bringen weiß.

Auf zwei in den Stahlwolle-Raum eingelassenen Projektionsfenstern sind von Zeit zu Zeit grob gerasterte Videostills zu sehen, die den Hertzschen Funkengeber und die historische Fassade seines Laboratoriums zeigen. Ein gläserner, mit ...l gefüllter Kubus dient als Projektionsraum für eine nächtliche Videosequenz, auf der nurmehr flirrende Lichtpunkte zu erkennen sind: der Monte Veritá über dem Lago Maggiore – mithin eine Reverenz an Hertz’ letzte Reise ins Tessin.

Blaß leuchtende, kalt-weiße Leuchtstoffröhren, monochrome Entladungslampen und für einige Sekunden polymetrisch zuckende Stroboskop-Blitzlichter verleihen dem installierten Raum eine Leuchtkraft, die nicht zuletzt den thematischen Zusammenhang von elektromagnetischen Radio- und Lichtwellen suggestiv erfahrbar macht.