MYTHOS EUROPA | INKONTINENT

Beschreibung

MYTHOS EUROPA | INKONTINENT eröffnet eine Projekt-Reihe, die die Möglichkeiten einer performativen künstlerischen Kartographie erkundet.

In Zeiten multipler europäischer Krisen entwirft MYTHOS EUROPA | INKONTINENT ein Bild unseres Kontinents jenseits geographischer Vorstellungen und Limitierungen. Der variantenreiche Mythos von der Entführung der phönizischen Königstochter Europa durch Zeus, Johann Sebastian Bachs Die Kunst der Fuge und Buckminster Fullers multiperspektivische Dymaxion-Weltkarte bilden dabei ein Dreieck der disparaten Bezugspunkte, deren Verknüpfungen und überraschende Querverweise die Konturen eines europäischen Inkontinents – ein mobiles und flexibles Netz der inselhaften Schutzräume – erahnen lassen.

In einem Vortrag zur Etymologie Europas entfaltet eine Performerin die diametralen Widersprüche europäischer Grenzziehungen zwischen mehrdeutiger "Weitsichtigkeit" und buchstäblicher "Dunkelheit". Dabei streift sie unsere Praxis der Silbentrennung ebenso wie antike agrarische Bewässerungskonzepte, mythische Fluchtbewegungen oder eine kleine Literaturgeschichte der Augenleiden von Homer bis Borges ...
In einem Vortrag zur Multiplizierung des Olymps nutzt ein Performer das kartographische Verfahren der Triangulation als Folie, auf der sich das expansive Machtstreben Europas spielerisch veranschaulichen läßt. Im östlichen Mittelmeer beginnend, zeichnet er ein weit verzweigtes Dreiecksnetz zwischen Mythos, Geometrie und Geschichte, das längst die Erde umspannt und in den Weltraum reicht – und dabei die Zeitmodi durcheinander würfelt ...

Inmitten eines 6-kanaligen Soundscapes aus tieffrequenten Feedbacks, pfeifenden Interferenzen, grummelnden und knacksenden Flächen, breiten Clustern und radiophonen Fetzen zwischen Rauschen, News und Pop sind an jedem Abend andere Kontrapunkte aus Bachs Die Kunst der Fuge zu hören. Sie durchsetzen die 4x16x4 Planquadrate für Streichquartett – eine für das Projekt entwickelte gut einstündige (karto-)graphische Klangkomposition, die Buckminster Fullers Weltkarten-Konzept nutzt und (wie diese Karte selbst) unzählige Zugänge und Perspektiven bietet, aus denen die Musiker_innen frei wählen.

Die Performance-Installation – ein polygonaler Mix aus transparenten, opaken und spiegelnden Folien, die von Betongewichten in einer fragilen Schwebe gehalten werden – projiziert die spekulative Struktur der Olympischen Triangulation faktisch in den architektonischen Raum und umgibt Musiker und Performer gleichermaßen, während sich das Publikum darin jederzeit frei bewegen kann.
Die in den Folienraum projizierten Videomaterialien sind selbst in Bewegung versetzte, vielfach gebrochene und multiplizierte Karten, die einerseits den Produktionsprozeß des Projekts – Materialien, Umwege, Varianten inklusive – protokollieren und andererseits die Gegend, in die Zeus Europa mutmaßlich über das Mittelmeer entführte, im 21. Jahrhundert kartieren.